Ein monumentales Werk

Von Benedikt Bögle

Copyright: Droemer

Monumental ist ist diese Biographie schon mit Blick auf ihren Umfang: „Benedikt XVI.“ von Peter Seewald füllt 1150 Seiten und erreicht damit die Grenze, bei der auch ein Verlag über zwei Bände nachdenken sollte, anstatt einen derartigen Wälzer zu verlegen. Peter Seewald beginnt die Lebensdarstellung Benedikts mit seiner Geburt und lässt sie in der Gegenwart enden. Was dabei allerdings überraschen mag: Das Pontifikat nimmt bei weitem nicht den größten Teil ein. Seewald erzählt konsequent die Biographie Benedikts, nicht die seines Pontifikats. So geht es zunächst um die verschiedenen Stationen der Familie Ratzinger, um Josephs Schulbildung und seine Zeit im Zweiten Weltkrieg. Es geht um die ersten Jahre im Priesterseminar und um ein junges Talent, das schon damals durchzuscheinen begann. Seewald widmet breiten Raum der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils, auf dem Joseph Ratzinger erst inoffizieller Berater von Kardinal Frings, dann offizieller Peritus war. Es geht um die ersten Jahre als Priester und die verschiedenen Stationen als Professor in Bonn, Tübingen und Regensburg. Seewald berichtet von der Zeit als Erzbischof von München und Freising, von den Aufgaben als Präfekt der Glaubenskongregation, von der Hoffnung, endlich in den Ruhestand gehen zu dürfen – und davon, wie diese Träume zerplatzten, als aus Joseph Ratzinger Benedikt XVI. wurde.

Peter Seewalds Werk ist monumental; es ist dies nicht nur aufgrund des Umfangs, sondern auch, weil so ausführlich noch niemand über das Leben des emeritierten Papstes geschrieben hat. Seewald kann seine Anschauungen aus den Äußerungen von Weggefährten speisen, aber auch aus der Darstellung, die direkt von Papst Benedikt XVI. stammt. An einigen Stellen könnte man all das für etwas zu viel halten; der Autor legt immer wieder Wert darauf, auch allgemeine (welt-)politische Vorgänge zu berichten, die nicht unbedingt immer direkt mit Benedikt XVI. zu tun haben – auch dem ist der Umfang des Werkes zu verdanken. Andererseits gelingt es Seewald so, Joseph Ratzinger als einen Menschen seiner Zeit zu zeichnen; als einen, der aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen aufnimmt oder sich zu ihnen abgrenzt, als einen Menschen schlicht, der eben nicht im luftleeren Raum gelebt hat.

Was Peter Seewald schafft, ist erstaunlich: Er kann den Leser über 1.000 Seiten nicht nur unterhalten, sondern immer wieder auch Spannung aufbauen. Das ist eine Meisterleistung. Gleichzeitig lässt Seewald keinen Zweifel daran, aus welcher Perspektive er über Benedikt schreibt. Hier spricht keiner, der völlig neutral ist. Hier spricht einer, der angerührt ist von dem Intellekt und der Klarsicht Benedikts. Bisweilen wird das überdeutlich; etwa, wenn die Kritiker Ratzingers beinahe als lächerlich dargestellt werden. Ein Beispiel: Der Kirchenhistoriker Hubert Wolf plädierte dafür, der zurückgetretene Papst solle das weiße Gewand ablegen. Seewald tut nun so, als ginge es hier um völlig nebensächliche und oberflächliche Kleidungsfragen. Das stimmt natürlich nicht; es geht um die Frage, welche Rolle ein emeritierter Papst – etwa im Vergleich zu einem emeritierten Bischof – wahrnehmen kann und wie sich das auch in vermeintlichen Oberflächlichkeiten manifestiert. Kurzum: Hier schreibt kein neutraler Beobachter, sondern ein Freund Benedikts. Kritik wird kaum geäußert. Und dennoch: So unterhaltsam und auch bildend war schon lange keine Biographie mehr.

Peter Seewald: Bendikt XVI. Ein Leben
Droemer 2020, 1150 Seiten, EUR 38

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