Von Benedikt Bögle

Bruder Lukas fühlt sich verlassen. Gleichzeitig mit einem anderen jungen Mann war er in sein Benediktinerkloster eingetreten. Der andere, sein bester Freund innerhalb der Klostermauern, hat das klösterliche Leben hinter sich gelassen, hat geheiratet, ist Vater geworden. Jeden Tag geht Bruder Lukas zum See neben dem Kloster, schwimmt eine Runde, schwelgt in Gedanken. Wie soll es weitergehen mit dem Kloster, dessen Brüder immer älter werden, während kein Nachwuchs zu kommen scheint? Beneidet er den ausgetretenen Mitbruder oder soll er eher wütend auf ihn sein? Diese Fragen werden drängender, als eine junge Frau die Gottesdienste des Konvents besucht, immer wieder im Kloster auftaucht. Bruder Lukas beginnt sich zu verlieben – und setzt sich neu mit seiner Berufung auseinander. „Aus der Mitte des Sees“ ist ein faszinierender Roman, den Moritz Heger geschaffen und bei Diogenes veröffentlicht hat. Setzt sich Literatur dieser Tage mit christlichem Glauben oder gar zölibatärem Leben auseinander, sind bestimmte Richtungen immer wieder zu sehen: Entweder wird völlig uninformiert über den Glauben geschrieben oder aber völlig abwertend. Entweder also ist die Welt der Glaubenden eine, die sich von vornherein verschließt, oder eine, die von vornherein abzuwerten ist.
Ganz anders und deswegen so erfrischend „Aus der Mitte des Sees“. Zunächst: Der Autor beschreibt gut informiert das Leben in einem Kloster. Die Begriffe passen, ein authentisches Bild wird gezeichnet. Darüberhinaus nimmt Moritz Heger Glaubensfragen und Berufungszweifel ernst. Er stellt sich und dem Leser wirklich die Frage: Welchen Sinn hat ein klösterliches Leben? Welchen Zweifel könnte sich ein Mönch in unserer Zeit in unserem Land ausgesetzt sehen? Am Ende zeichnet der Autor das Bild einer Berufung, die sich nicht immer ohne Brüche verwirklicht – aber doch dem lebenslangen Suchen nach Gott Ausdruck verleiht. Ein faszinierender Roman.
Moritz Heger: Aus der Mitte des Sees
Diogenes 2021, 245 Seiten, EUR 22