Von Benedikt Bögle

Der Moraltheologe Daniel Bogner fordert in einem bei Herder erschienenen Band Reformen für die Kirche: „Ihr macht uns die Kirche kaputt…doch wir lassen das nicht zu!“ Der Titel, der eine gewisse Härte zum Ausdruck bringt, lässt ja zunächst schon fragen: Wer sind die mit „ihr“ angesprochenen? Wer die „wir“ sind, macht der Autor indes deutlich: Menschen, denen die Kirche etwas bedeutet, „die wirklich etwas zu verlieren haben in der gegenwärtigen Krise. Die Rede ist von den Kirchenmitgliedern, die – aus welchen Gründen auch immer – bis heute dabeigeblieben sind und zu denen ich mich auch selbst zählte“, wie Bogner am Beginn seines Bandes schreibt. Dies ist die erste wichtige Weichenstellung: Hier handelt es sich nicht um eine Kritik an der Kirche, die „von Außen“ kommt, sondern „von Innen“; eine Kritik, die die Kirche nicht zu Reformen aufruft, ohne die Kirche zu kennen, sondern eine Kritik, die von Menschen vorgebracht wird, die an ihrer Kirche hängen und gerade deswegen Reformen fordern. Das wird durch den ganzen Band hindurch sehr sichtbar. Die mitschwingende Emotionalität lässt sich gerade daraus erklären, weil dem Autor mögliche Reformen der Kirche eben nicht egal sind.
Es geht in diesem Buch um Frauenpriestertum, es geht um den sexuellen Missbrauch, es geht aber in erster Linie darum, eine Verfassung für die Kirche zu fordern. Es müsse aus der Kirche eine „religiöse Demokratie“ werden, dazu bedürfe es auch einer Verwaltungsgerichtsbarkeit. Souverän der Kirche müssten die getauften Christinnen und Christen sein, Ämter und Strukturen müssten angepasst werden. Leider lässt der Autor dem wenig wirklich Praktisches folgen. Wer eine Verfassung für die Kirche fordert, muss auch grobe Konturen skizzieren. Wie könnte das genannte Verwaltungsgericht besetzt sein? Wer hat diesbezüglich eine Befähigung zum Richteramt? Wie lässt sich das mit der Stellung der Römischen Kurie in Zusammenhang bringen? Was bedeutet es konkret, dass Souverän der Kirche das Volk Gottes ist – wählen sie Pfarrer? Wählen sie Bischöfe und den Papst? Kann man einen Bischof abwählen oder bekommt er direkt nur eine begrenzte Amtszeit? All das sind doch Ausdifferenzierungen einer Forderung nach einer Kirchenverfassung, die hier zwar postuliert, nicht aber skizziert wird. Das ist schade; denn gerade das könnte doch der Auftakt für eine vertiefte Debatte sein.
Zudem scheint die theologische Argumentation des Autors bisweilen mager. Als Beispiel mag die Weihe von Frauen zu Priesterinnen dienen. Hier stehen sich unterschiedliche Positionen gegenüber und Daniel Bogner ist der Ansicht, das Modell der „Repräsentation“ diene ohnehin nicht mehr – und insofern könnten auch Frauen Priesterinnen sein, weil es nicht der entscheidende Punkt sei, dass ein Mann den historischen Mann Jesus repräsentiere. Zudem: Dass die 12 Apostel Männer waren, sei ebenfalls kein Kriterium. Denn dass die Apostel zu zwölft waren und dass sie allesamt Juden waren, ist ja ebenfalls aus kirchlicher Sicht kein Kriterium für die Priesterweihe. Nur: Diese Frage ist doch der Kernpunkt der theologischen Debatte. Sie lässt sich nicht auf so wenigen Zeilen ausführen. Gerade die tiefere theologische Auseinandersetzung wäre in meinen Augen geboten; eine so pauschale Antwort hilft letztlich niemandem.
Daniel Bogner bringt in diesem Band Vorschläge für eine Reform der Kirche ein. Das könnte ein sehr wertvoller Impuls zur Debatte sein. Dazu aber wären meiner Meinung nach mehr theologische Argumente erforderlich und mehr praktische Aufforderungen. So aber bleibt dieser Band recht unkonkret.
Daniel Bogner: Ihr macht uns die Kirche kaputt…doch wir lassen das nicht zu!
Herder 2019, 160 Seiten, EUR 16
Die Kirche ist eine Institution
(mit wechselbarer Geschichte
und Tradition)
die Seele und der Geist
ist in uns
unser Gewissen
dem Leben zu dienen
zwischen allen Fronten
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