Reformen in der Kirche

Von Benedikt Bögle

Copyright: Herder

Der Ruf nach Reformen in der Kirche wird laut, immer lauter. Er betrifft ganz unterschiedliche Bereiche des kirchlichen Lebens: Fragen der Organisation, der Disziplin, der Moral. Hinter diesen Fragen stehen aber immer auch theologische Fragestellungen. Es braucht, so scheint es, zunächst einmal eine Theologie der Reform, eine Methodologie. Eine solche legt der Dogmatiker Michael Seewald bei Herder vor: „Reform. Dieselbe Kirche anders denken“. Der Theologe fragt hier nicht nach einzelnen Reformen. „Es geht darum, den Spielraum des Möglichen für Reformen in der katholischen Kirche auszuloten“, schreibt Seewald. Was also ist möglich und was nicht? Was kann geändert werden und was nicht? Diese Frage sollte beantwortet sein, bevor man zur Reform einzelner Ordnungen innerhalb der Kirche schreitet. „Kann man dieselbe Kirche anders denken?“, fragt Seewald. Und damit gibt er die Richtung vor: Muss ich die Katholische Kirche zwingend so denken, wie wir es tun? Und andersherum gewendet: Was kann geändert werden, um gleichzeitig noch von „dieser Kirche“ zu sprechen und nicht von einer neuen Kirche?

Seewald bietet im Folgenden historisch-dogmatische Überlegungen, die im Kern vor allem zeigen wollen, dass die Starke Fokussierung der Kirche auf Dogmen eine Folge der Auseinandersetzung mit einer als bedrohlich empfundenen Moderne ist. Dabei zeigt Seewald, dass die Kirche durchaus auch einmal ihre Positionen geändert hat. Er zeigt anhand dreier „Modi“, wie das funktionierte. Da ist zunächst der „Autokorrekturmodus“. Als Beispiel bietet er Pius XII., der entgegen früherer Festlegungen deutlich machte, dass die Handauflegung bei der Weihe die Materie des Sakraments ist, die Form die begleitenden Worte. Zuvor hatte das Konzil von Basel-Ferrara-Florenz gelehrt, Materie des Sakraments sei die Übergabe der für die Eucharistie erforderlichen Geräte – also von Kelch und Patene. Kirchliche Lehre hatte sich also verändert. Als zweites nennt Seewald den „Obliszivierungsmodus“: Bestimmte Lehren – etwa zur Evolution – werden einfach nicht mehr vertreten. Man stellt nicht unbedingt eine Änderung in der Lehre fest, sondern vertritt frühere Ansichten schlich nicht mehr, vergisst sie sozusagen. Schließlich steht da nich der „Innovationsverschleierungsmodus“.

Man muss Seewald sicherlich nicht in jeder seiner Schlussfolgerungen folgen. Man könnte etwa auch kritisieren, dass er lehramtliche Entwicklung vor allem seit dem 19. Jahrhundert darstellt, es aber durchaus auch ältere Entwicklungslinien gibt, die eine Berücksichtigung verdienten. Seewalds Verdienst ist aber in erster Linie, eindringlich darauf hinzuweisen, dass kirchliche Reform zunächst eine theologische Basis braucht. Was ist theologisch vertretbar? Der Autor schildert dies etwa an der Frage des Frauendiakonats. Unabhängig davon, ob es nun historisch Diakoninnen gab oder nicht, muss die Kirche fragen: Ist es theologisch verantwortbar, Frauen zu Diakonen zu weihen oder nicht? Dieser Band, den der Autor selbst als „einen zu lang gewordenen Essay“ bezeichnet, wirft theologisches Licht auf die Frage nach Reformen. Ein lesenswerter Band, der Ausgangspunkt weiterer Überlegungen werden kann.

Michael Seewald: Reform. Dieselbe Kirche anders denken
Herder 2019, 174 Seiten, EUR 20

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