Das Grab der Jungfrau

Von Benedikt Bögle

Amerikanische Wissenschaftler haben einen alten Papyrus gefunden: Es handelt sich dabei um einen Brief, in dem der Apostel Johannes einem Glaubensbruder mitzuteilen scheint, dass Maria, die Mutter Jesu, gestorben ist. In diesem Brief teilt er auch den Ort ihres Grabes mit. Die Wissenschaftler horchen auf: Dieser Brief würde belegen, dass Maria nicht, wie es der katholische Glaube bekennt, nach ihrem Tod in den Himmel aufgenommen wurde – sondern begraben wurde. Die Brisanz ist deutlich – und fordert ein erstes Opfer. Einer der Entdecker wird getötet. Sein Kollege William Oakbridge bricht sofort nach Rom auf, um in den vatikanischen Archiven nach dem Gegenstück seines Brieffragments zu suchen. Er erhofft sich Hilfe von seinem alten Freund Montebello und dessen ehemaligen Vorgesetzten, Kardinal Ambroso. Doch aus einem wissenschaftlichen Sensationsfund wird bald eine ebenso gefährliche wie spannend Jagd: Ein Geheimbund will sich unbedingt den alten Brief verschaffen – ebenso wie zwei Unbekannte, denen tatsächlich ein Diebstahl gelingt.

Copyright: C.H.Beck

Stefan von der Lahr hat mit „Das Grab der Jungfrau“ einen sehr rasanten, packenden, bis zu letzt spannenden Kriminalroman geschaffen, der auf voller Linie begeistert. Bis zur Auflösung ist die Rollenverteilung sehr unklar: Wer kämpft hier eigentlich gegen wen? Wer sind die geheimen Hintermänner? Dabei spart von der Lahr auch nicht mit grandiosen Überraschungen; immer weitere Wendungen lassen diesen Roman nie zur Ruhe kommen, lassen ihn mit jeder Seite spannender werden. Der Plot erinnert bisweilen etwas an Dan Brown: Ein wissenschaftliches Geheimnis droht den Glauben der katholischen Kirche zu erschüttern – und diverse Kräfte wenden sich gegen die Veröffentlichung dieses Geheimnisses. Nur: Von der Lahr kann bei weitem mehr überzeugen als Dan Brown. Nicht nur kennt sich von der Lahr deutlich besser mit der katholischen Kirche aus. Er spart sich auch das ständige Bedienen antikatholischer Ressentiment Browns und muss auch nicht in dessen Stil ewiggestrige Geschichten aufwärmen. Sein Plot – wurde die Gottesmutter wirklich begraben? – ist in dieser Form neu. Seine Auflösung überrascht den Leser und begeistert insbesondere den katholischen Leser.

Subtil, ohne einen direkt moralisierenden Ansatz, vermag der Autor zudem grundsätzliche Fragen zu diskutieren: Was bedeutet Menschen ihr Glauben? Wie weit sind sie für ihn zu gehen bereit? Was ist eigentlich der Kern des christlichen Glaubens? Bis zum Schluss scheut man ein wenig davor zurück, moralische Urteile über die Protagonisten dieses Romans zu fällen. Von der Lahr muss sich keiner holzschnittartigen Charaktere bedienen, die nur in schwarz und weiß gezeichnet würden. Die besondere Stärke des Autors zeigt sich nicht nur in der genialen Geschichte, sondern eben auch im Mit- und Gegeneinander seiner Protagonisten. „Das Grab der Jungfrau“ ist der zweite Roman des Autors, der bei C.H. Beck erscheint. Bereits erscheinen ist „Hochamt in Neapel„. Nach „Das Grab der Jungfrau“ kann man sicher sein: Von diesem Autor wird man noch einiges hören – und er wird wieder begeistern.

Stefan von der Lahr: Das Grab der Jungfrau
C.H. Beck 2020, 400 Seiten, EUR 19,95

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