Casebook Strafrecht AT

Von Benedikt Bögle

Dass man sich juristisches Wissen nicht ausschließlich mit Lehrbüchern aneignen sollte, sondern nach Möglichkeit an konkreten Fällen arbeiten sollte, ist kein Geheimnis mehr. Ebenfalls nicht, dass auch die Realität Fälle hervorbringt, die man eigentlich für erfunden halten möchte. Das macht sich besonders im Strafrecht bemerkbar: Welcher Jura-Professor hätte sich etwa für eine Klausur den Sirius-Fall ausdenken können, den Fall um den Katzenkönig oder auch den Jauchegrubenfall? Angeraten scheint es daher, sich gerade mit realen Fällen auseinanderzusetzen, die auch die Justiz beschäftigten. Wer das auf dem Bereich des Allgemeinen Teils im Strafrecht machen möchte, hat nun einen Helfer zur Hand: Das „Casebook Strafrecht Allgemeiner Teil“ von Johannes Kaspar und Tobias Reinbacher, das soeben bei Nomos erscheinen ist.

Copyright: Nomos

Dreißig „reale Fälle“ bieten die beiden Autoren, die sich mit dem Stoff des Strafrecht AT beschäftigen. Sie bieten dabei die Entscheidungen des BGH und ordnen sie zudem kritisch ein. So werden neben den bereits erwähnten Entscheidungen auch die Fälle rund um die Hell’s Angels und den Erlaubnistatbestandsirrtum behandelt, der sogenannte „Lederriemen-Fall“ mit verschiedenen Fragen zum Vorsatz oder auch die Entscheidung zur Gubener Hetzjagd und dem Zusammenhang zwischen Körperverletzung und schwerer Folge bei § 227 StGB. Die Autoren bieten zu Beginn jeweils eine sehr kurze, pointierte Wiedergabe des Sachverhalts. Es folgt eine erste juristische Einschätzung, gefolgt von der Entscheidung des BGH. Die wird sodann eingeordnet, Kritik der Literatur wird geboten. Am Ende stehen „Zusatzfragen“, die eine Abwandlung oder auch Weiterführung des Falles ermöglichen.

Die beiden Autoren haben hier ein hervorragendes Casebook vorgelegt, bei dem man allenfalls Detailkritik zu üben wagt. So wäre es für gezielte Fragen schön gewesen, wenn bei jedem Fall wenigstens in Kürze angegeben wird, worum es eigentlich geht. Etwa beim Jauchgrubenfall das Kurze Stichwort „Vorsatz“ oder „Zurechenbarkeit“, beim „Radfahrer-Fall“ die Frage nach Pflichtwidrigkeit und „in dubio pro reo“. Kritisieren mag man zudem die Literaturangaben, die sich in leider bekannter juristischer Manier durch das völlige Fehlen an Information kennzeichnen. Beispielsweise wird beim Jauchegrubenfall empfohlen, man könne ja nachlesen bei „Hettiger, GA 2006, 289“. Sicher, finden wird man die Stelle. Aber was ist das? Die Besprechung der BGH-Entscheidung? Ein allgemein gehaltener Aufsatz zu Fragen rund um den Vorsatz? Schwierig gestaltet sich das auch bei denjenigen Fällen, bei denen mehrere Problemkreise angeschnitten werden – etwa beim „Spanner-Fall“, bei dem es um beinahe alle Formen der Rechtfertigung und um die Schuldfrage geht. Wird nun hier empfohlen, man möge nachlesen bei „Koch, JA 2006, 806“, stellt sich ja die gleiche Frage wieder. Ist das nun die Besprechung der Entscheidung? Ist es ein Aufsatz? Wenn letzteres der Fall ist – wozu? Zum Jedermann-Festnahmerecht? Zur Notwehr? Zum rechtfertigenden Notstand? Zum entschuldigenden Notstand? Eine gewisse Einordnung – sie könnte ja wirklich in aller gebotenen Kürze erfolgen – hätte man sich hier als Leser durchaus gewünscht.

Doch wie gesagt: Das ist die Kritik an kleinen Details. Im Wesentlichen vermag dieser Band voll zu überzeugen. Die Autoren konzentrieren sich auf das Wesentliche. Sie klammern alle Fragestellungen, die für den Allgemeinen Teil des Strafrechts nicht relevant sind, konsequent aus. Und vor allem lassen sie den BGH immer wieder auch selbst zu Wort kommen und tragen dadurch dazu bei, sich mit dem Duktus von gerichtlichen Entscheidungen vertraut zu machen. Dieses Fallbuch ist jedenfalls zu empfehlen.

Kaspar / Reinbacher: Casebook Strafrecht Allgemeiner Teil
Nomos 2020, 219 Seiten, EUR 24,90

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