Von Benedikt Bögle

Der Besondere Teil (BT) des Strafrechts kann bisweilen eine unübersichtliche Materie sein: Zahlreich sind die Meinungsstreite, die ein Student spätestens im Examen wiedergeben können sollte. Wie etwa findet eine Abgrenzung zwischen Raub und Erpressung statt? Ist Mord die Qualifikation des Totschlags oder ein eigener Tatbestand? Und überhaupt: Hat dieser Klassiker unter den Meinungsstreitigkeiten zwischen BGH und der „herrschenden Lehre“ überhaupt eine andere Auswirkung als die Frage, wie man den Tatbestand richtig zitiert? Antworten auf diese Fragen bieten zwei Lehrbücher aus dem Nomos-Verlag, die in der Reihe „Die Blauen“ erschienen sind. Beide Bände wurden von Urs Kindhäuser begründet. Der erste Band behandelt die Straftaten gegen Persönlichkeitsrechte, Staat und Gesellschaft und wurde von Edward Schramm weitergeführt. Der zweite Band behandelt entsprechend dann die Vermögensdelikte. Er wurde von Martin Böse aktualisiert und weitergeführt.

Im Aufbau sind beide Bände letztlich gleich – und überzeugen gleichermaßen. Zunächst fällt auf, dass nicht nur die examensrelevanten Delikte Erwähnung finden. Während etwa die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung regelmäßig nicht zum Pflichtstoff gehören, werden sie dennoch behandelt – ebenso etwa auch der Menschenhandel oder die Ausbeutung der Arbeitskraft. Wer sich „nur“ auf das Examen konzentrieren möchte, kann diese Kapitel ja getrost auslassen. Der Vorteil aber: Wer breiter interessiert ist oder im Schwerpunkt Strafrecht studiert, kann sich dennoch an dieses Lehrbuch halten.
Die Autoren arbeiten grundsätzlich mit sehr kurzen Fällen, an denen prägnant klassische Probleme aufgezeigt werden. Meinungsstreite werden konsequent als Streite dargestellt; nie versteigen sich die Autoren dazu, einfach ihre Meinung als unwidersprochen darzustellen. Die Sprache ist verständlich, die Gedanken klar und stringent. Der Überblick entsprechend gut. Besonderen Wert legen die Autoren auf Themen, die für Studenten besonders wichtig sind: Zu den meisten Delikten wird ein Aufbauschema geboten, am Ende des Bandes folgen übersichtlich die wichtigsten Definitionen. Konkurrenzen werden in der gebotenen Kürze behandelt, Einzelfragen und Detailprobleme auch als solche gekennzeichnet. Die beiden Bände können auf voller Linie überzeugen.
Kindhäuser / Schramm: Strafrecht Besonderer Teil I. Straftaten gegen die Persönlichkeitsrechte, Staat und Gesellschaft, Nomos, 9. Aufl. 2020, 510 Seiten, EUR 25,90
Kindhäuser / Böse: Strafrecht Besonderer Teil II, Straftaten gegen Vermögensdelikte, 441 Seiten, Nomos, 10. Aufl. 2019, EUR 24
Copyright der Bilder: Nomos