Die stillste Nacht

Von Benedikt Bögle

Weihnachten ist für viele der Höhepunkt des Jahres. Auch wenn für Christen das Osterfest die wichtigste Feier des Jahres ist, hat Weihnachten eine große Bedeutung. Viele Traditionen haben sich im Lauf der Jahrhunderte entwickelt. Stephan Wahle, Professor für Liturgiewissenschaft, geht den vielfältigen Bräuchen in einer Neuerscheinung nach: „Die stillste Nacht. Das Fest der Geburt Jesu von den Anfängen bis heute“, erschienen im Herder-Verlag. Dabei beleuchtet der Autor die unterschiedlichsten Facetten der Geburtsfeier Jesu: Er spürt dem Textbefund des neuen Testaments nach und untersucht die Kindheitsevangelien bei Matthäus und Lukas. Davon ausgehend stellt Wahle die Frage, seit wann Christen Weihnachten feiern.

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Eine schwierige Frage. In der Forschung höchst umstritten ist vor allem, wie die Christen auf den 25. Dezember als Datum der Weihnachtsfeier kamen. Gut lesbar führt Stephan Wahle in den Stand der wissenschaftlichen Diskussion ein. Einerseits behauptet die sogenannte „Berechnungshypothese“, die Christen im vierten Jahrhundert hätten das Datum berechnet. Eine andere Hypothese geht davon aus, in Rom wäre an diesem Tag der „unbesiegbare Sonnengott“ gefeiert worden. Die Christen übernahmen das Fest, feierten aber ihre Sonne: Jesus Christus.

Diese Theorie ist heute allerdings überholt, wie Wahle berichtet – zu unbedeutend war das heidnische Fest vermutlich, um eine christliche Reaktion heraufzubeschwören. Viel wahrscheinlicher ist es, dass unterschiedliche Faktoren hier zusammenspielen und die Sonne in der damaligen Zeit ein beliebtes religiöses Motiv war – dazu kamen theologische Auseinandersetzungen um die Frage, ob Jesus Mensch oder Gott sei. Die Theologie einigte sich: Jesus ist wahrer Mensch und wahrer Gott. Genau das wurde und wird an Weihnachten gefeiert.

Heute hat sich die Feier von Weihnachten in der ganzen Welt durchgesetzt – mit vielen Bräuchen und Traditionen. Stephan Wahle geht ihnen in seiner Veröffentlichung nach. Unterhaltsam und informativ berichtet er über die Entstehung von Krippen und Weihnachtsliedern, beschreibt die Entwicklung des Christbaums und schildert die Genese des typischen deutschen Heiligabends. Auch neue liturgische Ideen und Weiterentwicklungen finden in dem höchst lesenswerten Bändchen Platz – so auch einige Bemerkungen über die tiefe theologische Bedeutung des Weihnachtsfests: „An Weihnachten feiert die Kirche den Glauben an einen Gott, den Gott Israels, der in Jesus Christus zur Welt gekommen ist, um dadurch Gott zu den Menschen kommen zu lassen. (…) Denn es ist Gott selbst, der sein freies Geschöpf in seiner Menschwerdung für sich gewinnen will. Im Angesicht von Weihnachten und der Geburt des Erlösers bietet jeder Tag die Gelegenheit zu einem neuen Anfang, mit der eigenen Menschwerdung zu beginnen“, schreibt Stephan Wahle.

Stephan Wahle: Die stillste Nacht. Das Fest der Geburt Jesu von den Anfängen bis heute
Herder 2018, 223 Seiten, EUR 25

Dieser Text erschien zum ersten Mal am 22. Dezember 2018.

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