Von Benedikt Bögle
Der Priestermangel stellt für viele Gemeinden ein Problem dar. Die wöchentliche Feier der Eucharistie ist in vielen Pfarreien eben nicht mehr wöchentlich möglich oder zumindest mit Schwierigkeiten verbunden. Auch auf der Amazonas-Synode wurde dieses Thema diskutiert – immerhin gibt es im Amazonas-Gebiet Pfarreien, die nur ein- oder zweimal im Jahr die Heilige Messe feiern können. So sehr das Problem debattiert wird, so entstehen auch Lösungsvorschläge für den Priestermangel. Einen Vorschlag bietet der Pastoraltheologe Paul M. Zulehner: „Naht das Ende des Priestermangels? Ein Lösungsmodell“ ist bei Patmos erschienen.
Im Wesentlichen stützt sich der Theologe auf ein Modell von Bischof Lobinger, mit dem er in den vergangenen Jahren zusammenarbeitete. Der Ausgangspunkt seiner Überlegungen: Die Eucharistie ist Mittelpunkt der Kirche. Das unterstrich das Zweite Vatikanische Konzil, das machte der heilige Papst Johannes Paul II. in seiner Enzyklika „Ecclesia de eucharistia“ deutlich. Eucharistie ist Quelle, Mittelpunkt und Höhepunkt kirchlichen Lebens. Was nun aber, wenn diese Feier nicht mehr möglich ist? Für Pfarreien im Amazonas-Gebiet, aber auch auf gewissen pazifischen Inseln mag das bereits heute Realität sein. Die Priester fehlen, die Gemeinde kann folglich die Eucharistie nicht mehr gemeinsam feiern. Zulehner schreibt: „Die Kirche hat folglich für den „ekklesialen Notfall“ Sorge zu tragen. Das bedeutet: Wo immer gläubige Gemeinden sind, ist ein wesentliches Moment an ihrem Lebensvollzug die Feier der Eucharistie, der (in der wünschenswerten Regel) ein Ordinierter vorstehen soll.“

Und genau dieser „ekklesiale Notfall“ wird zum Ausgangspunkt der Überlegungen. Das „Lobinger-Modell“ sieht vor, dass in diesen Gemeinden Menschen zu Priestern geweiht werden. Bewusst sprechen die Autoren nicht von „viril probati“, erfahrenen Männern, sondern von „personae probatae“, erfahrenen Menschen – bewusst sollen Frauen eingeschlossen sein; theologisch geht Zulehner leider nicht ausführlicher auf diesen ja nicht ganz unwesentlichen Punkt ein. Diese zu Priestern geweihten Männer und Frauen hätte eine pastoraltheologische Ausbildung hinter sich, würden ihren Zivilberuf weiter ausüben, wären nicht an den Zölibat gebunden. In ihrer Gemeinde wirken sie, nicht im ganzen Gebiet des Bistums. Sie würden die Stelle des die Sakramente feiernden Priesters einnehmen – eben weil diese Priester dem Modell Lobingers nach schlicht fehlen.
Zulehner stellt hier das Modell eines Notfalls vor. Und man wird ihm in einigen Punkten wohl recht geben müssen oder seine Argumente wenigstens bedächtig hören: Wenn wirklich die Feier der Eucharistie – und übrigens auch der anderen Sakramente – in einigen Teilen der Weltkirche mangels Priester nicht mehr möglich sind, tritt ein „ekklesialer Notfall“ ein. Das ist wahr. Angesichts dieser Notlage wird man sich entscheiden müssen, ob die von Christus selbst eingesetzte Eucharistie den Vorrang genießt oder das kirchliche (wenngleich natürlich auf die Evangelien gestützte) Gebot, Priester sollen ehelos leben. Zugespitzt: Eucharistie oder Zölibat?
Fraglich dagegen ist, wo dieses Modell eingesetzt werden soll. Zulehner beruft sich fortwährend auf eine Pressekonferenz, die Papst Franziskus auf dem Rückflug vom Weltjugendtag Anfang diesen Jahres gab und wo er von einer Möglichkeit spricht, in abgelegenen Gegenden dieser Welt verheiratete Priester zu erlauben. Im Klartext: Wir sprechen hier über Inseln, auf denen die Christen keine Gelegenheit hätten, die Sakramente zu feiern. Für diesen Notfall mag die Debatte mehr als angemessen sein. Können wir aber, und das scheint Zulehner zu implizieren, diese Debatte auch auf westeuropäische Länder ausdehnen? Ist es ein „ekklesialer Notfall“, wenn eine Gemeinde nur alle zwei Wochen Messe feiern kann – im Vergleich zu Gebieten, wo das einmal pro Jahr möglich ist? Ist es ein Notfall, wenn der nächste Gottesdienst in der nur wenige Kilometer entfernten Pfarrei gefeiert wird? Das wird man bezweifeln dürfen.
Paul M. Zulehner, Naht das Ende des Priestermangels? Ein Lösungsmodell
Patmos 2019, 103 Seiten, EUR 12