Von Benedikt Bögle
Die Amazonas-Synode der vergangenen Wochen hat den Blick der gesamten Kirche auf das Amazonas-Gebiet gelenkt – und damit auch auf die spezifischen Anliegen dieses Gebiets. Schon vor der Bischofssynode ist ein Buch des emeritierten Bischofs Erwin Kräutler aus dem Amazonasgebiet erschienen: „Erneuerung jetzt. Impulse zur Kirchenreform aus Amazonien“ ist bei Tyrolia erschienen. Der Bischof geht in seinem Werk auf die wesentlichen Themen der Synode und die großen Probleme seiner Kirche vor Ort ein.
Das betrifft zum einen den Klimawandel. Unter der Zerstörung der Umwelt leiden die Menschen seines Bistums ganz besonders, schon vor Jahrzehnten war Umweltschutz dort ein Thema. Die Ausführungen zeigen: So sehr die Kirche durch die Enzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus den Blick auf dieses Thema schärfen konnte, so sehr kann sie auch von den Erfahrungen aus dem Amazonasgebiet lernen; von den Erfahrungen von Menschen, die schon seit Jahrzehnten spürbar unter einem räuberischen Umgang mit der Umwelt leiden. Seine Ausführungen zeigen aber auch: Bei der Synode ging es nicht nur um den Zölibat.

Natürlich aber spricht der wohl durchaus als liberal geltende Bischof auch die Frage nach dem Zölibat. Die Gemeinden im Amazonas leiden ganz besonders unter dem Priestermangel. Da viele Orte abgelegen sind, bedeutete das für nicht wenige Gemeinden, dass sie nur zwei- oder dreimal im Jahr die Heilige Messe feiern können. Faktisch werden diese Gemeinden bereits jetzt von Laien geleitet, die sich um Wortgottesdienste sorgen, aber gerne auch der Feier der Eucharistie vorstehen würden. Die Forderung von Bischof Kräutler: Diese Männer und auch Frauen sollten zu Priestern geweiht werden können, ihren zivilen Beruf aber behalten. Nur so könnte die Feier der Eucharistie am Amazonas aufrecht erhalten werden.
Der Bischof schreibt: „Es geht also um die Feier der Eucharistie, das Zentrum unseres Glaubens! In Amazonien gibt es tausende Gemeinden, die nur ein, zwei, drei, maximal vier Mal im Jahr die Möglichkeit haben, an einer Eucharistiefeier teilzunehmen, weil die längste Zeit des Jahres kein Priester verfügbar ist. Es müssen daher neue Wege gefunden werden, um diesen Gemeinden die Feier der sonntäglichen Eucharistie zu ermöglichen. Das macht erforderlich, die Zulassungsbedingungen zum Priesteramt zu überdenken.“
Mit anderen Worten: Der Bischof stellt den Zölibat zur Diskussion. Dies tut er aber nicht, wie wir das in Deutschland bisweilen gewohnt sind, weil der Zölibat etwa unangemessen oder zeitlich überholt wäre. Im Gegenteil. Im Grunde hält der Bischof am Zölibat fest – stellt ihm aber eine wenigstens einigermaßen häufige Feier der Eucharistie gegenüber. Was, könnte man fragen, wiegt schwerer: Zölibat oder Eucharistie? Man wird bei dieser ganzen Debatte, die natürlich auch in Deutschland beobachtet und geführt wird, bedenken müssen, dass die Situation im Amazonasgebiet mit der in Westeuropa nicht im Ansatz vergleichbar ist. Dennoch: Die Debatte wird auch nach der Synode weitergehen. Wer einen Blick nach Südamerika wagen möchte, sollte Kräutler lesen: Er spricht nicht über Amazonien, sondern aus Amazonien.
Erwin Kräutler: Erneuerung jetzt. Impulse zur Kirchenreform aus Amazonien.
Tyolia 2019, 157 Seiten, EUR 19,95
Copyright des Bildes: Tyrolia