Von Benedikt Bögle
Spiritualität könnte zu einem Modewort werden. Vielleicht ist es ja sogar schon eines. Wo Religionen an Bedeutung verlieren, wird der Glaube der Menschen mehr in ihr Privatleben verlagert. Das kann man dann Spiritualität nennen. Nur: Was ist das denn eigentlich, Spiritualität? Meint es ganz einfach so etwas wie religiöses Empfinden? Meint es die Art und Weise, wie der eigenen Glaube im Alltag gelebt wird? Kann man dann von jüdischer und christlicher Spiritualität sprechen, von muslimischer oder hinduistischer?

Fragen, die ein Buch über Spiritualität durchaus klären könnte. Bis auf einige wenige Ausnahmen verzichtet der Autor Lorenz Marti in seinem neuen Buch aber darauf: „Türen auf! Spiritualität für freie Geister“ ist bei Herder erschienen. Das Buch ist – nun, was denn eigentlich? Die Texte versteht der Autor als Essays auf der Suche nach Spiritualität, auf der Suche nach der Sinndeutung des Lebens. Entstanden sind mehrere kurze Texte, deren Zusammenhang sich dem Leser nicht erschließt. Themen wie Aufbruch oder Freiheit werden angesprochen, Verbundenheit oder Zuversicht. Klingt alles etwas unverbindlich. Ist es auch.
Kleine Erzählungen, private Erlebnisse des Autors und durchweg kritische Auseinandersetzungen mit Religionen prägen die Essays. Spiritualität, so scheint es, muss jeder mit sich selbst ausmachen; Religionen erscheinen als gewaltige Übermächte, die den Menschen begrenzen wollen. Daran mag etwas wahres sein, die ganze Wahrheit trifft es aber nicht. Religion bedeutet eben auch: Gemeinsam glauben. In einer Gemeinschaft nach dem Sinn des Lebens fragen, Gott suchen, Glück suchen. „Worum geht es in der Spiritualität?“, fragt der Autor. „In erster Linie um einen unbefangenen, offenen Blick“, antwortet er. Was heißt das denn? Seltsam unkonkret bleiben die kurzen Texte und damit auch das ganze Werk.
Lorenz Marti: Türen auf! Spiritualität für freie Geister
Herder 2019, 192 Seiten, EUR 18