Zeitzeuge des Hitler-Widerstands

Benedikt Bögle

Paulus van Husen ist nicht gerade ein bekannter Name des deutschen Widerstands gegen Adolf Hitler. Schade – denn seine Biographie ist faszinierend, seine Einstellung zum lebensgefährlichen Widerstand gegen das NS-System beeindruckend. Paulus van Husen verfasste selbst seine Memoiren, deren Erbe der berühmte Psychiater und Theologe Manfred Lütz ist. Er hat nun die Memoiren im Herder-Verlag herausgegeben: „Als der Wagen nicht kam. Eine wahre Geschichte aus dem Widerstand.“

Die Ausgabe beginnt mit einer sehr kurzen Einleitung von Lütz in den Fund der Memoiren und das Leben van Husens. Es folgt der eigentliche Text, gekürzt, teilweise der modernen deutschen Sprache angeglichen. Paulus van Husen war Jurist und Richter. 1934 wurde er Richter am preußischen Oberverwaltungsgericht in Berlin und war ab 1940 am Oberkommando der Wehrmacht angestellt. Van Husen wurde Teil des berühmten „Kreisauer Kreises“ und war wenigstens teilweise in die Pläne Stauffenbergs eingeweiht. In den Memoiren werden die moralischen Überlegungen des Widerstandskämpfers van Husen deutlich. Darf man etwa – so fragte er sich – einen Tyrannen töten?

Copyright: Herder

Er schreibt: „Nur der Tyrannenmord hat uns wirkliche Gewissensbedenken bereitet, und das Ergebnis aller theologischen Mühen war schließlich das Notwehrrecht, das nach jedem katholischen Volkskatechismus bei Bedrohung des Leibes und notwendiger Lebensgüter eintritt und auch im Interesse Dritter ausgeübt werden kann. Mörder wie Hitler darf man töten, wenn keine staatliche Gewalt da ist, sie unschädlich zu machen.“

Das Attentat Stauffenbergs auf Hitler scheiterte und der Jurist notiert: „Weshalb Gottes Ratschluss anders wollte, entzieht sich der unzulänglichen menschlichen Deutung. Vielleicht musste das deutsche Volk erst mehr zur Schulderkenntnis, Reue und gutem Vorsatz gebracht werde durch den nun einsetzenden vollständigen Ruin, denn nach dem 20. Juli folgten noch ungezählte Scharen von Toten, Verwundeten und Vertriebenen und die hauptsächlichen Zerstörungen aus der Luft.“

Paulus van Husen selbst geriet in Gefangenschaft und wurde vom Volksgerichtshof noch 1945 zu drei Jahren Haft verurteilt, aber kurze Zeit später bereits von russischen Soldaten befreit. Anschließend wurde van Husen zum Mitbegründer der CDU und schließlich zum Verfassungsgerichtspräsidenten von Nordrhein-Westfalen, bevor 1971 starb. Eine mehr als erstaunliche Biographie, in die die Memoiren einen hervorragenden Einblick gewährt.

Manfred Lütz / Paulus van Husen: Als der Wagen nicht kam. Eine wahre Geschichte aus dem Widerstand
Herder 2019, 376 Seiten, EUR 25

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