Von Benedikt Bögle
Iesus starb am Kreuz für unsere Sünden. Warum? Dieser Satz erweckt immer wieder Widerspruch. Braucht Gott denn ein Menschenopfer – zumal seines eigenen Sohnes -, um die Menschheit erlösen zu können? Setzt Gott seinen Sohn gefühllos dem schmerzhaften Kreuzestod aus, mitleidslos und unbarmherzig? Oder hat der Tod Jesu am Tod gar keinen Sinn, ist nur einer unter unzähligen Justizirrtümern in der menschlichen Geschichte? Intensiv mit dieser Frage hat sich Willibald Bösen auseinandergesetzt: „Für uns gekreuzigt? Der Tod Jesu im Neuen Testament“, erschienen beim Herder-Verlag.

Der emeritierte Professor für katholische Theologie an der Universität Bielefeld hat sich auf Spurensuche im Neuen Testament gemacht. Klar ist: Schon die frühen Christen sehen im Tod Jesu nicht Zufall oder reine Sinnlosigkeit, sondern erblicken im Kreuz das „Holz der Erlösung“. Im Nachdenken über das Kreuz und den Tod Jesu nutzen die Christen mehrere Motive, um sich den Tod ihres Meisters erklären zu können. Sie erblicken im leidenden Gottesknecht aus dem Jesaja-Buch den am Kreuz hängenden Christus, finden in den Psalmen Texte, die sie mit Jesus in Verbindung bringen.
Genauso aber orientieren sich die Christen am Tempelkult und deuten den Tod Jesu als „Sühnopfer“. Was hinter diesem Begriff steckt und wie wenig sich der biblische Befund mit der Theologie des Anselm von Canterbury verträgt, zeigt Willibald Bösen: Das Opfer sei nach jüdischem Verständnis nicht die mit Gaben erwirkte Besänftigung eines zürnenden Gottes und dem entsprechend Jesus auch nicht das unüberbietbare Menschenopfer. „Nach jüdischem Verständnis ist es nämlich Gott selber, der den Opferkult einsetzt“. Gott eröffnet Beziehung zu seinem Volk – ein auch auf das Kreuz übertragbarer Gedanke.

Dietmar Rabich / Wikimedia Commons / „Dülmen, Heilig-Kreuz-Kirche, Kreuz — 2015 — 5182“ / CC BY-SA 4.0
Weiteren Deutungshorizonten geht Willibald Bösen nach. Immer nimmt er die biblischen Texte in den Blick, fragt nach ihren Intentionen, geht den ursprünglichen Begriffen der griechischen und hebräischen Sprache nach. Er zeigt die Versuche der frühen Christen, den Tod Jesu am Kreuz zu verstehen. Einzelne Schritte finden sich, ohne beziehungslos nebeneinander zu stehen oder eine vermeintlich „richtige“ Antwort zu geben. Verbunden ist der Text Bösens mit mehr als 150 grafischen Abbildungen, die sein Werk auch für den Religionsunterricht oder die Katechese wertvoll machen können – aber nicht nur dafür: Ein Lesebuch für alle!
Willibald Bösen: Für uns gekreuzigt? Der Tod Jesu im Neuen Testament
Herder 2018, 359 Seiten, EUR 26
© des Beitragsbildes: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Jesus_am_Kreuz,_rechts_vom_Altar.jpg?uselang=de
Dieser Beitrag ist der Teil der Reihe „Lesend durch die Fastenzeit“.