Was, wenn Jesus überlebte?

Von Benedikt Bögle

Wer die Auferstehung Jesu von den Toten leugnen will, hat traditionell zwei Möglichkeiten. Entweder hält er am Tod Jesu auf Golgotha fest. Die Erscheinungen des Auferstandenen vor seinen Jüngern sind dann entweder dreiste Lügen oder Hirngespinste, Einbildungen, denen die Jünger irgendwann selbst glaubten. Die zweite Möglichkeit besteht darin, den Tod Jesu am Kreuz zu leugnen. Jesus wäre dann wirklich seinen Jüngern erschienen, nur eben nicht als der Auferstandene, sondern als der Geheilte. Für diese zweite Möglichkeit hat sich der Frankfurter Historiker Johannes Fried nun in seinem neuesten Buch entschieden: „Kein Tod auf Golgotha“, erschienen bei C.H. Beck.

Frieds Grundannahmen

Im Wesentlichen geht Johannes Fried vom folgenden Ablauf der Dinge aus: Die ans Kreuz Geschlagenen ersticken. Durch viele innere Verletzungen bildet sich ein Gemisch aus Blut und Wasser. Es sammelt sich, wie Fried ausführt, „in der Pleurahöle um die Lungenflügel“. Als Folge kann Kohlendioxid nicht mehr ausgeatmet werden. Langfristig würde dies zum Ersticken führen. Zuvor aber fällt der Patient – oder Delinquent – in eine Ohnmacht, die sogenannte „CO2-Narkose“. Überleben kann er nur, wenn man das Serum aus dem Lungenflügel ablässt. Soweit die medizinische Theorie. Übertragen auf Jesus von Nazareth bedeutet das: Er hing am Kreuz und fiel in die genannte Ohnmacht. Der Lanzenstich in seine Seite war nicht Beweis des Todes, sondern der rettende Stich, um das Serum abzulassen. Jesus überlebte – unerkannt; die Ohnmacht musste ihn tot erscheinen lassen. Er wurde begraben. Irgendwer aber musste ja um seine Ohnmacht wissen, sonst wäre Jesus dem Grab nicht entkommen.

Auferstehung und Himmelfahrt

Aus der Auferstehung wird in Frieds Darstellung sodann ein „Aufwachen“. Wie leicht man in der Antike eine solche Verletzung der Lungenflügel überleben konnte, muss wohl dahingestellt bleiben. Für Fried hat sich Jesus jedenfalls wieder so gut erholen können, dass er erst seinen Jüngern erschien und dann Jerusalem verließ. Was das Neue Testament als Himmelfahrt berichtet, sei die Flucht Jesu gewesen. Wohin? Vielleicht, vermutete Fried in überhaupt nicht im Ansatz beweisbaren Hypothesen, nach Ägypten, vielleicht auch in die Dekapolis oder nach Ostsyrien.

© C.H. Beck – Verlag

Die Methode

Der Historiker Fried gibt selbst zu, ein Buch voller Hypothesen geschrieben zu haben. Problematisch aber erscheint die Methode des Historikers, an das Neue Testament heranzugehen. Wo die beinahe gesamte neutestamentliche Wissenschaft das Markusevangelium als ältestes Evangelium angibt, dreht Fried die historische Reihenfolge locker um: Markions Evangelium sei nicht wie vermutet eine Beschneidung der Synoptiker, sondern das ursprüngliche Evangelium. Das sei so vor wenigen Jahren erkannt worden. Diese Einsicht, würde sie sich als wahr erweisen, würde tatsächlich die Bibelwissenschaft auf den Kopf stellen. Johannes Fried kann doch tatsächlich aber nur einen einzigen Beleg für diese angeblich so gesicherte Ansicht vorlegen. Man wird ihm nicht folgen können, ebenso wenig in seiner Tendenz, nur den Passionsbericht des Johannes als historisch gelten zu lassen. Alle Passionsberichte sind theologische Zeugnisse, nicht historische Protokolle. Gleichzeitig orientieren sich alle drei am tatsächlichen Geschehen, nicht nur Johannes.

Man wird Fried auch fragen dürfen: Kann es sein, dass Jesus vor seinem Tod – oder eben dem Scheintod – Jünger um sich scharte und zu einer bedeutenden Person jüdischer Religiosität wurde, nach seinem Tod aber in der Anonymität versank? War es wirklich so einfach, das Kreuz und die anschließenden Tage halbtot im Grab zu überleben? Das Buch von Johannes Fried liest sich als hypothesenschwere Abhandlung, die außer Vermutungen kaum Gesichertes auf ihrer Seite weiß. Positiv: Johannes Fried geht an da Thema ohne Polemik heran. Selbstverständlich ist das nicht. Einen Beweis für das Überleben Jesu bietet er aber nicht.

Johannes Fried: Kein Tod auf Golgotha. Auf der Suche nach dem überlebenden Jesus
C.H. Beck 2019, 188 Seiten, EUR 19,95

© Beitragsbild: By Distant Shores Media/Sweet Publishing, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=18888677

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