Von Benedikt Bögle
Iesus Christus ist für unsere Sünden gestorben – so bekennen wir Christen unseren Glauben. Jesu Tod führt zum Heil der Welt. Nur: Warum denn eigentlich? Hätte – provokant gefragt – Gott die Menschheit nicht auch ohne den Tod seines Sohnes, vielleicht sogar ohne die Menschwerdung seines Sohnes retten können? Musste das blutige Opfer auf Golgotha wirklich sein? Nein, meint Meinrad Limbeck, ehemaliger akademischer Oberrat für biblische Sprachen an der Universität Tübingen. In „Abschied vom Opfertod. Das Christentum neu denken“, erschienen bei Grünewald, geht er dem Tod Jesu genauer nach.
Er fragt: Wenn der Tod Jesu wirklich notwendig gewesen wäre, wäre dann seine Sendung gescheitert, wenn alle bereitwillig sein Evangelium vom Reich Gottes angenommen hätten und es in der Folge nicht zu Auseinandersetzungen innerhalb des Judentums und mit den römischen Machthabern gekommen wäre? Und weiter: Kann der gewaltsame Tod eines Menschen die Sünde der Welt vernichten? Ausgangspunkt ist für Limbeck die Botschaft Jesu: Das Reich Gottes hat schon angebrochen, es beginnt schon unter uns.

Im Tod Jesu sieht der Autor vielmehr die Folge Jesu geradlinigen Einstehens für seine Botschaft vom Reich Gottes. Durch seine Predigt, seine Heilungen am Sabbat und durch die „Tempelreinigung“ macht er sich zwangsläufig Feinde. Damit ist der Tod Jesu aus der Sicht Limbecks nicht die Folge eines göttliches Ratschlusses, Ursache für das Kreuz nicht die Sünder der Menschen, sondern die Radikalität der Reich-Gottes-Predigt. Jesus versteckt sich und seine Botschaft nicht, auch wenn er um die Möglichkeit des gewaltsamen Todes wusste. Konsequent sieht Limbeck dann den Sinn, das eigentliche Wesen des Christentums darin, Gott zur Geltung zu bringen: Von der Möglichkeit einer guten Welt, dem Reich Gottes, sollen die Christen künden.
Dem Autor wird in vielem zuzustimmen sein. Das biblische Zeugnis hat seine Argumentation oft auf seiner Seite, aber auch gegen sich. Die Evangelien wie auch die paulinischen Briefe sehen im Tod Jesu noch anderes, noch mehr. Weshalb Jesus letztlich am Kreuz sterben musste, können auch diese Texte nicht mit der letzten Eindeutigkeit beantworten – sollten aber doch in ihrer Zielsetzung gehört werden.
Meinrad Limbeck: Abschied vom Opfertod. Das Christentum neu denken
Grünewald, 5. Auflage 2013, 159 Seiten, EUR 16