Von Benedikt Bögle
Testamente können für Historiker einen großen Wert haben: Sie beschreiben nicht nur Vermögensverhältnisse und wertvolle Gegenstände im Eigentum des Erblassers – auch der Kreis der Bedachten bietet Aufschluss über konkrete Lebensverhältnisse. Der ehemalige Vizepräsident des Landgerichts Passau, Walter Zimmermann, hat sich in seiner neuen Veröffentlichung mit Testamenten der Geschichte beschäftigt: „Testamente und Erbstreitigkeiten von Kriemhild bis Cornelius Gurlitt“, erscheinen bei C.H.Beck. Wer bei dem Titel eine etwas dröge Abhandlung juristischen Stoffes erwartet hätte, wird eines besseren belehrt: Zimmermann bietet eine spannende Auswahl verschiedener Testamente, in denen es nicht nur um juristische, sondern ganz allgemein um historische Fragestellungen geht.

So belehrt das Testament einer gewissen Offmei Wöllerin aus Regensburg aus dem Jahr 1321 über die Art des Testierens ihrer Zeit: Begonnen wurde mit dem Klerus; dann erst kam die Verwandschaft zum Zug. Der letzte Wille eines Bürgers von Pfreimd in der Oberpfalz aus 1662 verrät zwar keine Vermögensverhältnisse, aber die Wünsche des Erblassers für seine Bestattung. Beethovens Ableben wiederum stellt die Juristen vor die Frage, ob und wie ein Brief ein Testament sein kann. Der Nachlass des bayerischen Königs Otto I. – der wegen einer psychischen Erkrankung nicht selbst regierte, sondern vom Prinzregenten vertreten wurde – war mit einer hohen Erbschaftssteuer belastet. Was sich nach einzelnen Details anhören mag, wird bei Zimmermann zu einem großen Ganzen.
Seine Darstellung zeigt den hohen kulturgeschichtlichen Wert der Testamente. Von bekannten Erblassern – etwa Adolf Hitler und Eva Braun – über vollkommen unbekannte Menschen entwickelt Zimmermanns Buch kleine Biographien, erzählt anhand der überlieferten Testamente. Es ist damit ebenso historisch wie es juristisch ist, kulturgeschichtlich wie überhaupt einfach lesenswert. Der Leser wird viel über das Erbrecht erfahren, ohne erschlagen zu werden, viel über vergangene Zeiten. Nüchtern berichtet Zimmermann und enthält sich weitgehend der Wertungen. Ein erfrischendes Lesebuch!
Walter Zimmermann: Testamente und Erbstreitigkeiten
C.H.Beck 2018, 269 Seiten, EUR 24,90