Von Benedikt Bögle
Kennt man ja: Alles wird schlechter. Die Kriminalitätsrate nimmt zu, um den Umweltschutz ist es immer schlechter bestellt und auch das Essen wird immer giftiger. Ein allgemeiner Abwärtstrend. Nur: Stimmt alles nicht. Das meint der Stern-Journalist Walter Wüllenweber nicht nur, er weiß es und kann es in seinem Buch belegen: „Frohe Botschaft. Es steht nicht gut um die Menschheit, aber besser als jemals zuvor“, erschienen in der Deutschen Verlags-Anstalt (DVA). Der Journalist zeigt eindrücklich, das gefühlte Wahrheit nicht immer wahr sein muss. Es geht der Menschheit nicht unbedingt gut, nicht alles ist toll und perfekt – aber es geht uns besser als jemals zuvor. Wüllenweber buchstabiert das aus: Die Menschheit ist gesund wie noch nie. Auch wenn immer mehr Menschen an Krebs leiden und sterben, liegt das daran, dass die Menschheit immer älter und damit anfälliger für Krebs wird. Während die Mär der durch Flüchtlinge gesteigerten Kriminalität munter die Runde macht, weiß der Journalist die Zahlen richtig zu deuten:
„Mehr Menschen bedeuten mehr Fälle von Kriminalität, das ist Grundschul-Mathematik. Doch die entscheidende Größe, die Zahl der Straftaten pro 100.000 Einwohner, ist trotz der Flüchtlinge nicht gestiegen, sondern leicht gesunken. Zieht man die Rechtsverstöße gegen das Ausländerrecht ab, ist die Kriminalität im Jahr des größten Flüchtlingszustroms sogar deutlich gesunken, um 1,9 Prozent.“
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Erkenntnisse dieser Art bietet Wüllenweber weiter: Demokratie breitet sich aus, die Todesstrafe wird in immer mehr Staaten abgeschafft, das Wasser in deutschen Flüssen ist sauberer als noch vor Jahrzehnten, das Ozonloch schließt sich wieder. Bleibt die entscheidende Frage: Warum sehen wir die Lage der Welt dann überhaupt so schlecht? Wüllenweber präsentiert auch hier Antworten. Eine Ursache sind die Medien: Berichtenswert ist das Negative. Das sei auch gar nicht unbedingt schlecht: „Das Aufdecken und Bewusstmachen von Missständen ist eine der entscheidenden Erfolgsmethoden unserer Gesellschaften.“ Gleichzeitig scheint der Mensch schon evolutionär dazu zu neigen, alles immer schlechter zu sehen, als es ist: Er muss Gefahren erkennen, das ist biologische Veranlagung. Die Diskrepanz zwischen Wahrheit und Empfinden ist groß:
„Drei Viertel (74 Prozent) der Deutschen denken, die Mordrate im Land sei im Vergleich zum Jahr 2000 gestiegen oder gleich geblieben. Tatsächlich ist sie um 33 Prozent gesunken. Nach Meinung der Deutschen haben 45 Prozent aller Gefängnisinsassen einen Migrationshintergrund. Tatsächlich sind es nur 31 Prozent. Besonders weit liegen die Befragten bei den Teenagerschwangerschaften daneben. Sie glauben, hierzulande würden 16 Prozent aller 15- bis 19-jährigen Mädchen ein Kind zur Welt bringen. Tatsächlich sind es nur 0,6 Prozent.
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Schließlich zeigt Walter Wüllenweber, dass die Erkenntnis froher Botschaft oft einfach komplexer ist als eine ganz einfache schlimme Nachricht. Beispiel: Die Versorgung der Flüchtlinge koste mehrere Milliarden Euro im Jahr. Das mag auch stimmen. Einfache Botschaft. Dahinter steckt aber mehr: Das Taschengeld der Flüchtlinge fließt zu größten Teilen zurück in die deutsche Wirtschaft, eine „Flüchtlingsbranche“ sei entstanden, mit der Menschen Geld verdienen und die Arbeitsplätze schafft. Im Kern also – zumindest auf der finanziellen Ebene – eine frohe, keine düstere Botschaft. Und schon zeigt sich, wer von der Angst der Deutschen und der negativen Sicht auf die Realität profitiert: Populisten. Objektive Medien stehen ebenso in der Kritik wie differenzierte Auseinandersetzungen. Ist alles Schlecht – und sei es nur in den Köpfen der Menschen -können Populisten Zuwachs verzeichnen.
Walter Wüllenweber hat ein höchst lesenswertes Buch geschaffen. Es regt zum Nachdenken an, zur vertieften Auseinandersetzungen mit den oft einfachen und platten Nachrichten. Er plädiert dafür, den großen Kontext zu sehen – und der ist gut, nicht schlecht. Gleichzeitig ist „Frohe Botschaft“ keine Verherrlichung der Gesellschaft. Natürlich gibt es weiter Missstände, daran lässt der Autor auch gar keinen Zweifel. Im Großen und Ganzen aber wird es besser, nicht schlechter.
Walter Wüllenweber: Frohe Botschaft. Es steht nicht gut um die Menschheit – aber besser als jemals zuvor
Deutsche Verlags-Anstalt, 3. Aufl., 2018, 223 Seiten, EUR 18