Die Pfarrei der Zukunft

von Benedikt Bögle

Viel wird diskutiert in der deutschen Kirche über zukunftsfähige Modelle katholischer Pfarreien. Pfarrei ohne Priester, unter der Leitung von Laien? Große Seelsorgsbereiche? Riesige Pfarrverbände? Die Ratlosigkeit ist groß, die Zeit drängt und die Vorschläge sind sehr unterschiedlich. Einen ganz besonderen Vorschlag zur Gemeinde der Zukunft hat der Münsteraner Priester Thomas Frings in seinem Buch „Aus, Amen Ende? So kann ich nicht mehr Pfarrer sein“ entwickelt. Erschienen ist es im Herder-Verlag. Nach dreißig Jahren als Pfarrer merkte der Priester: „So wie bisher konnte und wollte ich nicht weitermachen.“ Nicht, dass er an seiner Berufung oder dem Zölibat zweifelte. Im Gegenteil: Er ließ sich beurlauben, weil die Tätigkeit als Pfarrer für ihn unter den gegebenen Umständen nicht mehr möglich war. Die Gründe legt er in seinem Buch dar.

Eine Service-Mentalität habe sich in der Kirche breit gemacht, die an allen bislang gewohnten Strukturen festhalten und keine neuen Wege wagen will. Nur: Die alten Wege funktionieren nicht mehr. All zu oft werde die Verantwortung für die Krise von Glaube, Kirche und Pfarreien den Hauptamtlichen zugeschoben. Frings hat einen erstaunlich klaren Blick für die eigenen Fehler. Unumwunden kann er zugeben, dass Priester in der Verkündigung viele Fehler machen – nur alleine an ihnen liegt es nicht, schreibt Frings. Auch bei den der Gemeinde liegt ein großer Teil der Verantwortung für die aktuelle Situation.

Besonders leidet Frings an der Situation der Sakramentenpastoral. Verständlich! Als Pfarrer suchte er immer wieder nach neuen Modellen. Es erschütterte ihn, wenn sich die Eltern getaufter Kinder nach Jahren nicht einmal mehr daran erinnern konnten, bei der Taufe versprochen zu haben, ihr Kind im Glauben zu erziehen. Es bewegt ihn, wenn Kommunionkinder und ihre Eltern nach der großen Feier nicht mehr in die Kirche gehen. Es erschüttert ihn, wenn in Hochzeitsmessen die anwesende Gesellschaft nicht einmal mehr das Vaterunser mitbeten kann: „Die Lebenswirklichkeit der Menschen wahrzunehmen kann nicht heißen, die Bedeutung der Sakramente bis zur Belanglosigkeit herabzustufen, nur um alle zu befriedigen.“ Man merkt dem Autor seine Ratlosigkeit an. Was soll er denn noch alles machen? Wie sehr noch auf die Menschen zugehen? Wenn bei einer Hochzeitsfeier doch tatsächlich der Bräutigam bei der Kelchkommunion den versammelten Gästen mit einem „Prost!“ zutrinkt, wäre wohl jeder Seelsorger nicht nur mit seinem Latein am Ende, sondern auch um die Würde des Sakraments besorgt.

© Herder-Verlag

Thomas Frings ist ratlos, wenn die bloße Veränderung von Gottesdienstzeiten Gemeindemitglieder vertreibt. Bei aller pastoralen Sorge behält der Priester einen realistischen Blick: „Wir trauen uns einfach nicht zu sagen, dass unsere Angebote die meisten Menschen schlichtweg nicht interessieren.“ Traurig, aber wahr. Was können Priester in dieser Situation anders machen? „Ach Jesus, was hast Du uns Seelsorgern und besonders uns Priestern mit diesem Bild angetan? Du bis der gute Hirte und wir sollen Dich zum Vorbild nehmen. Aber nicht ein Schaf ist weggelaufen, sondern über 90 von 100“, schreibt Thomas Frings. Sein alternatives Modell für die Zukunft nennt er die „Entscheidungsgemeinde“. Eine Pfarrei, die nicht durch das Territorium definiert wird, sondern durch den Willen ihrer Zugehörigen. „In einer Entscheidungsgemeinde würde erst über weitere Gottesdienste gesprochen, wenn der Gottesdienst überhaupt gewollt ist.“ Ein Konzept, über das man nachdenken sollte.

Aus, Amen, Ende?“ ist ein Buch, das tief in den Alltag eines Priesters blicken lässt, sicher aber auch auf viele andere Seelsorgerinnen und Seelsorger übertragen werden kann. Was tun, wenn die Angebote nicht mehr funktionieren, neue Ideen aber entweder von vornherein abgelehnt werden oder ebenso nicht angenommen werden? Frust ist wohl kaum vermeidbar. Den hat sich Thomas Frings von der Seele geschrieben, ohne aber zynisch oder verbittert zu sein. Er ist ehrlich. Das ist die große Stärke dieses Buches.

Thomas Frings: Aus, Amen, Ende? So kann ich nicht mehr Pfarrer sein
Herder 2017, 176 Seiten, EUR 12

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