Gott ist nicht nett

Von Benedikt Bögle

Dieses Buch hätte man von einigen katholischen Christen in Deutschland vielleicht erwarten können, mit Sicherheit aber nicht von einem Bischof oder zumindest einem, der Bischof werden sollte: „Gott ist nicht nett. Ein Priester auf der Suche nach dem Sinn“ erschien erstmals 2013 im Herder-Verlag. Damals war Heiner Wilmer noch Provinzial der Herz-Jesu-Priester in Deutschland. Bekannt ist dieser Orden auch unter der Bezeichnung „Dehonianer“. 2015 wurde Wilmer sogar Generaloberer und damit Chef seines Ordens weltweit, bis ihn der Papst 2018 zum Bischof von Hildesheim ernannte.

Gott ist nicht nett“ ist ein schonungsloses Buch. Wilmer geht nicht mit den Leser schonungsvoll um, viel weniger noch mit sich selbst. Er ist vollkommen ehrlich, wenn er konstatiert: „Manchmal kann ich all das, was über Jesus gesagt wird, nicht mehr hören. (…) Ich kenne diese Beschreibungen, ich kenne die Rhetorik aus den Gottesdiensten. Manchem mag es so gehen, dass er, wenn er ehrlich mit sich ist, ein kleines oder auch großen Gähnen unterdrücken muss, wenn es mal wieder darum geht, wer Jesus war.“ Ein Priester schreibt das. Einer, der sein ganzes Leben in den Dienst Jesu gestellt hat und der deswegen ein großes Problem hat, wenn die Jesusbeziehung einmal nicht so läuft: „Das Anstrengende ist, dass mein ganzer Beruf, mein ganzer Lebenssinn auf diesem Jesus aufbaut, obwohl dessen Bedeutung mir manchmal abhanden kommt.“

© Herder-Verlag

Irgendwie scheint die Gottesbeziehung des Priesters und Ordensmannes Heiner Wilmer eingeschlafen zu sein. Ein Erweckungserlebnis kommt im Museum, als Wilmer das Bild eines kopfüber gekreuzigten Hundes sieht: Er ekelt sich, empfindet die Darstellung als geschmacklos. Am Ekel bleibt er hängen: „Dieses Gefühl von Empörung ließ mich nicht mehr los. Dass ein gekreuzigter Hund mich mehr schockte als ein gekreuzigter Mensch. Das sprach natürlich nicht besonders für mich“, schreibt der heutige Bischof Wilmer. Er bemüht sich, auf eine neue Art und Weise zu beten, indem er immer wieder das alte, von Ignatius von Loyola überlieferte Gebet meditiert und seine Leser an den Gedankengängen teilhaben lässt. „Anima Christi“, heißt es:

„Seele Christi, heilige mich.
Leib Christi, rette mich.
Blut Christi, berausche mich.
Wasser der Seite Christi, wasche mich.
Leiden Christi, stärke mich.
Gütiger Jesus, erhöre mich!
In deinen Wunden berge mich.
Von dir lass nimmer scheiden mich.
Vor dem bösen Feind verteidige mich.
In deiner Todesstunde rufe mich.
Zu dir zu kommen heiße mich,
Mit deinen Heiligen zu loben dich
In deinem Reiche ewiglich.
Amen.

So reflektiert Heiner Wilmer an diesem Gebet seinen Glauben und schlägt dabei große Brücken von Schuld zu Vergebung, von Schöpfung zu Vollendung.

Bischofsweihe von Dr. Heiner Wilmer, © Bistum Hildesheim

Dabei lässt der heutige Bischof pastorale Begabung und eine große Liebe zu den Menschen und seiner Berufung erkennen. „Gott ist nicht nett“ ist eines der lesenswertesten spirituellen Bücher Deutschlands in den letzten Jahren. Da wird nichts weichgespült und auch kein Interesse nach einfacher Geborgenheit bedient. Da fragt jemand ganz radikal nach Gott. Und wenn der Priester keine einfachen Antworten hat, dann gibt es eben keine. Wenn er mal nicht weiß, was er noch sagen soll, ist das so und darf so sein. Heiner Wilmer ist keiner, der denkt, Gott schon gefunden zu haben. Konsequent ist das Buch denn auch den „Suchenden“ gewidmet.

Heiner Wilmer: Gott ist nicht nett. Ein Priester auf der Suche nach dem Sinn
Herder, 2. Auflage 2018, 205 Seiten, EUR 12,99

© Beitragsbild: Bistum Hildesheim



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