Worte ohne Hülsen

Von Benedikt Bögle

Religiöse Sprache ist nicht immer einfach: Was sagen wir da eigentlich, wenn wir über den Glauben sprechen? Was beten wir eigentlich? Die Worte des religiösen Vokabulars haben es in sich: Gott, Geist, Inkarnation. Besteht nicht die Gefahr, diese Worte könnten sich abnutzen, durch oftmalige Wiederholung verflachen und überhört werden? Ja, vielleicht. Wie man mit dieser Tatsache umgehen kann, zeigt Klaus Mertes, Jesuit und Kommentator des kirchlichen Zeitgeschehens, in einem neu erschienenen Buch: „Wie aus Hülsen Worte werden. Glaube neu buchstabiert“. Im Vorwort greift er diese Problematik auf: „Worte veralten (…). Am Ende der Alterung bleibt eine Worthülse zurück. Sie ist leer geworden, weil die ursprünglichen Bedeutungen verschwunden sind. Neue Bedeutungen haben sich in sie hineingeschoben, die mit den alten wenig oder gar nichts zu tun haben.“

Wie nun damit umgehen? Die Worte einfach nicht mehr benutzen? Für Mertes keine Option. Seine Lösung: „Die Hülse nicht wegwerfen, sondern ihre ursprüngliche Bedeutung mit neuen Worten erschließen.“ Und das tut der Jesuit auf den folgenden Seiten konsequent. Er geht den Kernbegriffen des christlichen Glaubens auf den Grund, angereichert durch eigene Lebenserfahrungen. So entsteht ein sehr persönliches, theologisch aber auch fundiertes Buch. Den Beginn macht gleich das Wort „Gott“. Was sollte an diesem Begriff so schwer sein? Einmal, schreibt der Jesuit, dass viele Menschen meinen, genau zu wissen, was sich hinter dem Wort „Gott“ verbirgt – das aber wird der Größe Gottes kaum gerecht. Viele Menschen hätten mit dem Wort „Gott“ auch schlechte Erfahrungen gemacht. Mertes bringt in dieses Dilemma einen interessanten Aspekt der griechischen Sprache ein. Dort ist das sogenannte „göttliche Passiv“ bekannt: Um Gott nicht als Urheber einer bestimmten Handlung nennen zu müssen, wird das Passiv benutzt.

Das Passiv gibt in unseren Sprachen die Möglichkeit, Handlungen auszudrücken, ohne dabei das Subjekt der Handlung zu nennen. (…) In der Bibel werden solch passivischen Formulierungen gern benutzt, um ein Handeln Gottes auszudrücken, ohne „Gott“ als Subjekt der Handlung nennen zu müssen.

© Patmos-Verlag

Ähnlich geht Mertes auch mit anderen Begriffen vor: Beichte etwa, Demut oder Erbsünde. Entstanden ist eine spannnende Mischung aus lockerem Lesebuch und theologischem Wörterbuch der etwas anderen Art. Das Büchlein ist ein Zeugnis tiefer Freude am christlichen Glauben und der ständigen Bemühung, auch und gerade heute das Evangelium angemessen zu verkünden.

Klaus Mertes: Wie aus Hülsen Worte werden. Glaube neu buchstabiert
Patmos-Verlag 2018, 159 Seiten
EUR 18

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